Agrarwirtschaft Ukraine: Auch in Krisenzeiten ein Wachstumssektor

Die Ukraine wird dank ihrer fruchtbaren Böden als „Kornkammer Europas“ bezeichnet und hat alle Chancen, durch die Reform des Bodenmarktes, Modernisierung der Landtechnik sowie Investitionen in die Infrastruktur und Digitalisierung („Smart Farming“) zur „Kornkammer der Welt“ zu werden.

Die Landwirtschaft ist einer der wichtigsten Sektoren für das Land. 2019 entfielen in der Ukraine fast 43 Prozent der Exporte auf Agrargüter und Nahrungsmittel. Die Pflanzenproduktion bildet den Schwerpunkt der Landwirtschaft in der Ukraine.

Als Exporteur von Getreide (hauptsächlich Weizen, Mais und Gerste) steht das Land mit 60 Millionen Tonnen Produktion jährlich im weltweiten Vergleich an dritter Stelle, gleich hinter den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union. Mehr als die Hälfte davon geht ins Ausland. Bei den Ölsaaten (Sonnenblumen, Soja, Raps) ist die Ukraine sogar weltweit führend. Bei vielen weiteren Agrargütern zählt das Land global zu den führenden Erzeugern und Exporteuren.

In der Ukraine werden 35 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Fläche von Privathaushalten bewirtschaftet. Insgesamt stehen sie für 44 Prozent der landesweiten Agrarproduktion.

Rund 45 Prozent der Flächen entfallen auf etwa 45.000 landwirtschaftliche Betriebe, die ihr Land überwiegend von privaten Landeigentümern, aber auch vom Staat pachten. Ein Teil dieser Betriebe sind große, auf den Weltmarkt ausgerichtete Agrarholdings, deren Schwerpunkt im Anbau von Getreide und Ölsaaten sowie in der Geflügelzucht liegt.

Ein wesentlicher Anteil der Agrarexporte besteht aus Rohwaren und Produkten mit einer geringen Wertschöpfung. Der Export von verarbeiteten Nahrungsmitteln bleibt bisher unterentwickelt. Grund dafür sind mangelnde Investitionen aufgrund des Investitionsklimas und der hohen Finanzierungskosten. Hierbei werden aber von der Regierung Reformfortschritte erzielt.

Am 30. März 2020 wurde vom ukrainischen Parlament ein lang diskutiertes und umstrittenes Gesetz zur Regelung des Geschäftsverkehrs mit landwirtschaftlichen Böden verabschiedet, womit ab 1. Juli 2021 der Handel mit Grund und Boden ermöglicht wird. Das Gesetz wurde am 28. April 2020 von Präsident Zelenskyi unterzeichnet. Dies war Voraussetzung für die Freigabe eines wichtigen IWF-Kredits. Das Gesetz ermöglicht, Land als Sicherheit für Kredite zu hinterlegen, was Finanzierungen erleichtert.

Investitionen in die Landwirtschaft fließen zumeist in moderne Technik, Digitalisierung, den Ausbau der Logistik, den Bau neuer Getreidespeicher und in Biogasanlagen. Diese Entwicklung wird u.a. durch die EBRD, die Weltbank und zahlreiche Kooperationsprojekte des deutschen Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft unterstützt.

Wesentliche Investitionen (ca. 200 Mio. USD jeweils) fließen beispielhaft in die Erweiterung einer Geflügelfarm in Wynnyzja von MHP, in den Bau eines Pflanzenölwerks im Gebiet Chmelnyzkyj von Kernel sowie in den Bau eines Maisverarbeitungswerkes im Gebiet Ternopil, das von chinesischen Investoren finanziert wird.

Interessante Projektmöglichkeiten bietet der Bereich der Landtechnik, in dem die Ukraine auf Importe angewiesen ist, wobei Deutschland das führende Lieferland ist. Hohe Bedarfe an moderner Landtechnik bestehen insbesondere bei Agrarholdings.

Laut Weltbank bleibt der ukrainische Agrarsektor unter seinem Potenzial und könnte mit höheren Exporten einen wesentlich größeren Beitrag zum Wirtschaftswachstum leisten. Eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität um 30 Prozent könnte über fünf Jahre zu einem BIP-Wachstum von 4,4 Prozent und über zehn Jahre zu einem Wachstum von 12,5 Prozent führen. Auch die Exporte, insbesondere von hochwertigen Agrar- und Lebensmittelprodukten, bleiben weit unter ihrem Potenzial.

Abb. 1: Die Sektoren Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung sind bei ausländischen Direktinvestitionen und Kapitalinvestitionen (2004–2017) unterrepräsentiert (Worldbank).

Warum ist der Agrarsektor jetzt besonders interessant?

Die Agrarwirtschaft ist zumeist weniger von Krisensituationen als andere Wirtschaftszweige betroffen. Die positive Entwicklung der Agrarwirtschaft der letzten Jahre trug zur Stabilisierung des Landes bei. Die ukrainische Agrarwirtschaft verfügt über ein beträchtliches Potenzial, auch in den nächsten Jahren zu wachsen.

Verwendete Quellen: