Gedenkveranstaltung zum Tag der Erinnerung und Versöhnung am 8. Mai 2022

Seit vielen Jahren ist es eine gute Tradition, dass eine Delegation des Deutsch-Ukrainischen Forums an der Gedenkveranstaltung der Botschaft der Ukraine zum Tag der Erinnerung und Versöhnung (8. Mai, in Deutschland Tag der Befreiung) am Sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Tiergarten teilnimmt.  U.a. waren unser Stv. Vorsitzender Gerald Praschl und unser Kyjiwer Büroleiter Jörg Drescher (der ab 11. Mai wieder in Kyjiw vor Ort ist) dabei, daneben auch mehrere unserer Mitglieder. Wir wollen dort der Opfer des von Deutschland angezettelten Vernichtungskriegs gedenken, unseren Dank an alle jene ausdrücken, die im Kampf gegen die Nazidiktatur ihr Leben oder ihre Gesundheit verloren, in dem wir Seite an Seite mit ihren Nachfahren stehen. Und auch ein Zeichen der Solidarität mit dem ukrainischen Volk setzen, das heute leider erneut einem verbrecherischen Angriffskrieg ausgesetzt ist. Das Medienecho auf die jährliche Gedenkveranstaltung war meist enttäuschend gering – insbesondere verglichen mit stets vielen Medienberichten über bizarre Treffen tausender Putin-Fans, “Nachtwolf”-Rockern” oder Alt-SED-Funktionären, die sich ebenfalls anlässlich des Jahrestags des Kriegsendes 1945 jährlich am Sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Treptow versammeln.

Zumindest das war in diesem Jahr anders: Dutzende TV-Teams fast aller deutscher Sender und viele Print- und Online-Journalisten waren diesmal mit dabei und berichteten ausführlich und überwiegend zutreffend.

Älteste Teilnehmerin war die 102jährige Haya, eine jüdischstämmige Ukrainerin aus Lwiw, die vor zwei Monaten gemeinsam mit ihrer ebenfalls schon betagten Tochter vor dem russischen Angriffskrieg zu ihrem in Frankfurt/Oder lebenden Enkel floh – der sie nun zu der Gedenkveranstaltung begleitete (Foto). Sie wünsche sich nicht mehr als Frieden, sagte Haya, und dass sie dann bald wieder heim in die Ukraine könne. Aus der Spitzenpolitik nahmen u.a. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (B90/Grüne) und SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert teil.

Im Zweiten Weltkrieg kamen acht Millionen Bürger auf dem Gebiet der heutigen Ukraine um. Drei Millionen davon fielen als Soldaten, überwiegend der Roten Armee, daneben auch der Partisanenarmee UPA, die sowohl gegen die Nazis als auch gegen die Rote Armee kämpfte. 1,5 Millionen wurden aufgrund ihrer jüdischen Herkunft von den deutschen Besatzern ermordet – an Tausenden Tatorten, der bekannteste in Babyn Jar, sowie in den von den Deutschen nahe der ukrainischen Grenze errichtete Vernichtungslager Sobibor und Belzec. Weitere etwa 3,5 Millionen Menschen kamen bei Kriegshandlungen um oder wurden in ihren Dörfern von den Besatzern  gezielt ermordet. Einer dieser Tatorte war die Kleinstadt Korjukiwka, in der als „Vergeltung“ für einen „Partisanenangriff“ auf Befehl der deutschen Besatzer am 1. und 2. März 1943 alle 7000 Einwohner erschossen wurden.

Verbrechen in deutschem Namen am ukrainischen Volk, die bis heute sprachlos machen. Und die es ein umso größeres Wunder erscheinen lassen, dass wir als Deutsche in der Ukraine trotzdem so freundlich und partnerschaftlich empfangen werden. Das Gedenken an das, was geschah, ist uns ein wichtiger Antrieb in unserer Arbeit für die Freundschaft zwischen Deutschland und der Ukraine. Wir sind den Menschen in der Ukraine sehr dankbar für ihre Bereitschaft zur Verzeihung und zu einem neuen Anfang.

Umso beschämender ist es, wenn – wie während der diesjährigen Gedenkveranstaltung geschehen – eine Gruppe deutscher Demonstranten in der Nähe „Nazis raus“ skandierte. Fragwürdig waren auch unverschämt belehrenden Worte, die der deutsche Soziologe Prof. Harald Welzer – Mitunterzeichner jenes umstrittenen Offenen Briefes der Zeitschrift Emma – am Abend des Gedenktags in einer Talkshow für den Botschafter der Ukraine Andrij Melnyk übrig hatte. Beschämend war auch das vom Senat von Berlin verhängte Verbot des Zeigens ukrainischer Flaggen (außerhalb der Gedenkveranstaltung), das die Polizei dann auch durchsetzte, als Teilnehmer der Gedenkveranstaltung nach deren Ende auf dem Gelände eine überdimensionale ukrainische Flagge entrollten.

Umso wichtiger war es, mit unserer Teilnahme „Flagge zu zeigen“. Wir unterstützen die Ukraine in diesem von Russland angezettelten verbrecherischen Krieg. Wir wünschen uns Frieden und Freiheit für unsere ukrainischen Freunde.