Die Ukraine ist seit 1991 ein unabhängiger Staat. Im vergangenen Jahr hat das Deutsch-Ukrainische-Forum gemeinsam mit den Regierungen beider Länder den 30 Jahrestag der Unabhängigkeit der Ukraine gefeiert. Damals wie heute sage ich, dass die territoriale Integrität in der Ostukraine und auf der Krim wiederhergestellt werden muss.
Kiew, Odessa, Lwiw, Dnipro, Charkiw sind europäische Städte mit einer langen und reichen Geschichte. Auch Russland und seine Menschen sind Teil Europas. Wir Deutsche haben in beiden Staaten im 20. Jahrhundert verheerende Spuren hinterlassen und doch nach dem Zweiten Weltkrieg Vertrauen zurückgewonnen. Jetzt wird Deutschland alles versuchen, eine militärische Intervention Russlands in der Ukraine zu verhindern.
In diesen Tagen geht es um nichts weniger als die Sicherung des Friedens in Europa. Um es ganz zu sagen: Grenzen sind unantastbar. Das Völkerrecht gilt uneingeschränkt. Militärische Übungen oder Truppenaufbau im eigenen Land mögen erlaubt sein; aber wenn sie Menschen des Nachbarlandes in Angst versetzen, sind sie inakzeptabel. Die Menschen in der Ukraine „haben ein Recht auf ein Leben ohne Angst und Bedrohung, auf Selbstbestimmung und Souveränität” hat Bundespräsident Steinmeier gesagt.
Es ist sehr zu begrüßen, wenn Präsident Volodymyr Zelenskyj dieser Tage zu Besonnenheit aufruft und vor Panikmache von außen warnt. Die Zeit der Diplomatie und der Deeskalation darf nicht enden, nicht in dieser Woche, nicht zu einem anderen Zeitpunkt. Die Gefahr eines militärischen Konflikts in Osteuropa muss vermieden werden. Sowohl der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine wie auch derjenige zwischen Russland und dem Westen müssen am Verhandlungstisch gelöst werden.
Die Ukraine benötigt zudem wirtschaftliche Unterstützung durch Deutschland und die EU. Als Wirtschafts- und Investitionsstandort darf das Land keinen weiteren Schaden nehmen. Wir begrüßen daher die jüngste finanzielle Unterstützung durch die EU, die die Perspektiven der Ukraine auch als Exportland für Landwirtschaftsprodukte, Automobil- und Flugzeugindustrie oder in der Zukunft für grünen Wasserstoff verbessern helfen.
Auf der Bundesregierung – wie schon 2015 beim Minsker Abkommen – ruhen erneut gerade jetzt alle Hoffnungen. Die Reise von Bundeskanzler Scholz nach Kiew und Moskau in dieser Woche hat große, vielleicht entscheidende Bedeutung. Deutschland hat in beiden Ländern in den vergangenen zwanzig Jahren viel geleistet und Vertrauen aufgebaut. Ich bin der Bundesregierung dankbar, dass sie nichts unversucht lässt, den Konflikt beizulegen und vor allem Russland an seine Verantwortung als europäischer Staat zu erinnern.
Das Deutsch-Ukrainische Forum setzt sich seit über zwanzig Jahren für die Ukraine ein. Als sein Vorsitzender fordere ich: Die Sicherheit der Ukraine in Europa muss wiederhergestellt werden, damit die Menschen dort ohne Angst leben können.
Berlin, den 14. Februar 2022
Prof. Dr. Rainer Lindner
Vorsitzender des Deutsch-Ukrainischen Forums